Antike: Wie Kaiser Vespasian das marode Rom sanierte - WELT (2024)

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Zwei lateinische Worte sind es, die eine der wichtigsten finanzpolitischen Innovationen aller Zeiten zusammenfassen: "Non olet" (Es riecht nicht). Gemeint war damit Gold. So wies der Kaiser Vespasian seinen Sohn Titus zurecht, der sich darüber echauffierte, dass die Benutzung öffentlicher Latrinen oder des darin gesammelten Urins besteuert wurde. Die Nachwelt machte daraus das Bonmot "Geld stinkt nicht" und erfand für Pariser Aborte den Begriff "vespasiennes".

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Wenn jetzt die politischen Führer des Planeten nach Lösungen aus der Finanzkrise suchen, dürfte ihnen bei diesem Vorbild nicht nach Spott zumute sein. Selten kam eine historische Ausstellung passender daher: Im Kolosseum zu Rom wurde eine Ausstellung über den römischen Kaiser Titus Flavius Vespasianus (9-79) eröffnet, den Mann, der die bankrotte Weltmacht innerhalb von zehn Jahren sanierte und der deswegen als einer der großen Staatenlenker in die Geschichte eingegangen ist.

Nicht nur wegen seines Talents, ausgefallene Steuern zu erfinden. Sondern auch weil Vespasian mit einem klugen, ausbalancierten Konzept den riesigen Schuldenberg abtrug, den ihm Vorgänger und Bürgerkriege hinterlassen hatten.

Das Haushaltsloch, das Vespasian dem Senat anzeigte, umfasste die damals exorbitante Summe von 40 Milliarden Sesterzen (das Jahresdurchschnittseinkommen eines Arbeiters betrug 1000 Sesterzen). Doch anstatt wie Caligula oder Nero die Lücken mit Hinrichtungen von Gegnern notdürftig zu stopfen, deren Vermögen eingezogen wurden, organisierte der Kaiser zunächst die Finanzverwaltung und schuf die fiskalische Sonderrolle für einige Gebiete, wie sie Nero etwa für Achaia verfügt hatte, umgehend ab.

Auch zog er einige Klientelkönigreiche wie Kilikien und Komagene ein und erhöhte die Steuerleistungen der Provinzen. Bei seiner Sanierungspolitik ließ er sich vor allem von dem Gedanken leiten, die bestehenden Pflichten genauestens wahrzunehmen. Steuersünder wurden konsequent verfolgt, Rückstände eingetrieben.

Daneben entwickelte der Imperator eine lebhafte Fantasie bei der Schaffung weiterer Einnahmequellen, die auch das römische Kernland, Italien, betrafen. Er scheute sich nicht, Ehrenämter zu verkaufen. Und als seine ohnehin privilegierten Matrosen für den Gang nach Rom eine "Schuhzulage" forderten, "schickte er sie nicht nur ohne Antwort wieder fort, sondern befahl sogar, dass sie von jetzt an barfuß zu marschieren hätten".

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Wie der Hofsekretär Sueton außerdem berichtet, unterwarf sich der Kaiser dabei strikter Arbeitsdisziplin. Bereits in den frühen Morgenstunden erledigte er seine Korrespondenz, schon die Zeit des Ankleidens wurde für Audienzen genutzt, bürgernah, humorvoll und schlicht regierte er das Weltreich. Bei seinem Tod 79 n. Chr. soll es schuldenfrei gewesen sein.

Vielleicht ist es kein Zufall, dass der große Sanierer wenig mit den hocharistokratischen Herrschern aus der julisch-claudischen Dynastie gemein hatte, die sich auf Caesar und damit auf die Liebesgöttin Venus zurückführten. Vespasians Vater war Steuereintreiber gewesen, bevor ihn sein finanzielles Geschick in den Ritterstand gebracht hatte.

Dass auch sein Sohn die Flexibilität des Kaufmanns besaß, zeigte sich in der Karriere, die er unter dem argwöhnischen Tiberius und größenwahnsinnigen Caligula machen konnte. Später als Legionskommandeur in Britannien eingesetzt, wurde er mit den Triumphinsignien und zwei Priesterämtern geehrt. 51 übernahm er als Proconsul die Provinz Africa, die er, ganz gegen den Stil seiner Standesgenossen, nicht ausplünderte. Einzig die Unterstützung seines Bruders soll ihn vor dem Ruin bewahrt haben.

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Da Vespasian zudem mit einer Frau schlichter Herkunft verheiratet war und nach ihrem Tod mit einer Freigelassenen in einer Ehe minderen Rechts lebte, muss er auf die Zeitgenossen als ungehobelter wie antriebsloser Trottel gewirkt haben. Das hatte Vorteile.

Da er wiederholt bei musischen Auftritten Neros eingeschlafen war, fiel er in Ungnade, soll aber bald wieder in Ehren aufgenommen worden sein. Kaiser liebten Generäle ohne Ambitionen. Als solcher erhielt er 67 den Auftrag, den großen jüdischen Aufstand in Palästina niederzuschlagen.

Doch der Sohn eines Zöllners beherrschte das schlichte Einmaleins der Macht. Als Nero im Aufstand der Generäle zugrunde gegangen war und diese sich gegenseitig zerfleischten, erkannte er seine Chance. Mit Unterstützung der ägyptischen Legionen ließ er sich von seiner Armee zum Kaiser aufrufen, überließ seinem Sohn Titus die Belagerung Jerusalems und zog nicht ohne Kampf nach Rom. Der Text des Gesetzes, nach dem er "das Recht und die Macht, zu handeln und zu entscheiden" erhielt, hat sich teilweise erhalten.

Umgehend legte der neue Kaiser einen ersten Beweis für seine Umsicht vor. Die Zahl der Legionen, die das sogenannte Vierkaiserjahr 69 (Galba, Otho, Vitellius, Vespasian) mobilisiert hatte, wurden um vier oder fünf reduziert, die Truppen selbst in Einzellagern stationiert, um gefährlichen Zusammenballungen vorzubeugen. Auch die Garde in Rom, die Prätorianer, wurden auf neun Kohorten reduziert und seinem designierten Nachfolger Titus unterstellt.

Der Führer der Opposition wurde hingerichtet. Spätestens als Vespasian und Titus 73 das Amt des Zensors übernahmen und sich anschickten, den Senat mit neuen Familien provinzialen Ursprungs aufzufüllen, wurde den überlebenden stadtrömischen Aristokraten klar, dass ihre exklusive Rolle endgültig ausgespielt war.

Dass sie ihre Politik gegen Adel und Militärs durchsetzen konnten, verdankten die beiden Flavier nicht zuletzt ihrem Ruhm als siegreiche Feldherrn. Zudem versorgte sie die Beute aus dem Jüdischen Krieg, von dem die Reliefs auf dem Titusbogen in Rom eine Vorstellung geben, mit den nötigen Mitteln, Rom auf ihre Seite zu ziehen. Sie beseitigten die Schäden, die Neros Caesarenwahn hinterlassen hatte, erbauten neue Foren und Tempel und gaben der Hauptstadt der Welt einen Ort, wie sie ihn noch nie gesehen hatte.

In den riesigen Gärten des "Goldenen Hauses", mit dessen Bau Nero nicht zuletzt den Staat ruiniert hatte, entstand das größte Amphitheater der Welt, das Kolosseum, benannt nach einer übergroßen Statue des Sonnengottes, die bei ihm aufgestellt wurde. Rund 50.000 Menschen konnten in dieser hypermodernen Arena bei Tierhetzen und Gladiatorenspielen vergessen, dass sie und der Erdkreis nun bereits von der zweiten Kaiserdynastie beherrscht wurden und die Freiheiten der Republik nur noch ferne Erinnerung waren.

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In den Bogengängen des Kolosseums sind denn auch die zahlreichen Stücke der Ausstellung "Divus Vespasianus" aufgestellt, die über den "vergöttlichten Vespasian" berichten, als den die Römer diesen lebensklugen Karrieristen und Staatssanierer in Erinnerung behalten haben. Auf dem Sterbebett soll er sich von ihnen mit den Worten verabschiedet haben: "Ich glaube, ich werde ein Gott." Die Selbstironie der Macht, Vespasian hat sie verkörpert.

Kolosseum, Rom, bis 10. Januar 2010

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