Geländewagen Ford Bronco im Test: Nicht nur für Auto-Romantiker (2024)

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Es gibt im Prinzip zwei große Lager von Geländewagenkäufern. Das erste Lager kauft solche Maschinen für große Privatländereien, für die Land-, Forst- oder Viehwirtschaft. Das ist ein hartes Leben, in dem die Fahrzeuge wenig zu lachen haben und entsprechend aussehen. Das zweite große Lager kauft Geländefahrzeuge, weil sie Geländefahrzeuge lieben, allerdings nicht unbedingt das Fahren im Gelände, zumindest nicht mit dem geliebten Fahrzeug. Ich kenne jetzt schon mehrere Freunde des Ford Ranger, denen ich sagen konnte: Wenn du dich um den Rostschutz kümmerst, ist das ein gutes Auto. Sie kauften einen. Ich fragte irgendwann: "Und, wie isser?". Keiner ist auch nur einen Feldweg damit gefahren. Der schöne Lack soll nicht verkratzen.

Jetzt bringt Ford den Bronco nach Europa und ich bin mir sicher, dass die Liebhaber ihn in ihre Herzen schließen werden. Ja: Im Innenraum ist Plastik. Das lässt sich eben gut abwischen. Aber der Bronco hat einen tollen V6, und er kommt mit einem Design, das sehr schön die Ursprünge des Bronco nachzeichnet, ohne dass es nur langweilig retro wirkt. Man kann auf Privatgeländen Dach und Türen abnehmen, also komplett oben ohne fahren. Das Haupt-Einsatzgebiet des knapp 80.000Flocken teuren Kantenautos dürften jedoch Städte und gelegentliche, sanfte Übungen in Offroad-Parks sein.

Wind um die Ohren, Benzin im Tank

Als erstes fuhr ich eine Tour – für die Verbrauchsmessung, aber auch, weil Offroader gern zum Reisen benutzt werden, denn die schöne Wildnis liegt meist in einiger Entfernung. Obwohl die Scharniere innen hinter den Blechen liegen, lassen sich die Türen im Bronco recht einfach aushängen. Die Rückspiegel befestigt Ford vor den Vordertüren, die bleiben also benutzbar. Genauso kann man das Dach in mehreren Teilen abnehmen. Dann wäre man perfekt gerüstet für die Fotosafari. Ich will nicht beurteilen, wie wichtig dieses Feature in Deutschland ist, denn bei "ich will das" geht es sehr selten um den Nutzen, sehr oft jedoch einfach nur ums erst einmal Haben. Alles abnehmbar macht die Offroad-Features komplett. Die Dacharretierung mit Dichtung hat jedoch bei den Geräuschen Nachteile, denn der Wind pfeift ab etwa 90km/h so durch, dass es sich zunächst anhört, als sei eine Tür nicht richtig zu. Das führt dazu, dass der Ranger mit seiner geschlossenen PKW-Kabine automäßiger, leiser auf der Autobahn fährt als der Bronco.

Ford Bronco außen (15 Bilder)

Als Motor bietet Ford nur den V6-Benziner an. Er gurgelt schön und hat mit 246kW (335PS) und 563Nm Maximaldrehmoment auch genug Druck für die 2418kg EU-Lebendgewicht, die Ford für die Badlands-Variante angibt. Obwohl das Zehnganggetriebe typischerweise für niedrige Drehzahlen sorgt, kommen beim sehr piano fahren mit Vmax 130km/h 12,6l Verbrauch auf 100km heraus. In der co*ckpit-Anzeige steht nur minimal weniger, sie ist also recht genau. Als das Auto ankam, standen von der Überführung knapp 15l je 100km auf dem Schätzeisen, was ein realistischerer Wert für eine größere Anzahl Fahrer sein dürfte. Unter 12Liter sind nur bei niedrigeren Geschwindigkeiten drin, wenn Sie also zum Beispiel 100 fahren statt 130 auf der Autobahn.

Den Motor kombiniert Ford mit einem 79-l-Tank und einer realistischen Reichweitenschätzung. Mit einem wie beschrieben gemütlichem Gasfuß sind gute 600km Autonomie drin. Es reist sich im Bronco leicht schaukelig, aber gemütlich. Allerdings würde ich Kilometerfressern eher den aktuellen Defender als Diesel empfehlen, der den Reisepart schlicht besser kann und am Ziel trotzdem gute Schlechtwegtauglichkeit bietet – allerdings nicht auf dem Niveau des Bronco harte Offroad-Passagen meistert.

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Im Steinbruch

Wie der Ranger steht der Bronco vorne auf Doppelquerlenkern und hinten auf einer Starrachse. Anders als der Ranger federt die Starrachse im Bronco jedoch über Schraubenfedern statt Blattfedern und wird von Lenkern (und einem Panhardstab) geführt. Die Kombination mit Einzelradaufhängung vorne und Starrachse hinten hat sich sowohl bei Pickups als auch bei ATVs gut bewährt. Wer in Broncos Gewichtsklasse dennoch auch vorne eine Starrachse haben will, muss zum Ami-Mitbewerber Jeep Wrangler greifen.

Die getestete, teurere Ausstattungsvariante "Badlands" bringt hauptsächlich ein besseres Fahrwerk und mehr Offroad-Gimmicks: Querdifferenzialsperren vorne und hinten und für höhere Verschränkung hängt ein Servo den Querstabilisator aus (nur im Langsamfahrbereich bis 32km/h). Damit die daraus resultierende Kombinatorik einfach bedienbar bleibt, legt Ford viele sinnvolle Presets auf das Moduswahl-Drehrad in der Mitte. Das hat für mich schlüssig funktioniert und meistens reicht maximal ein zusätzlicher Knopfdruck, um das System vollends auf die aktuelle Situation anzupassen.

Die Übersicht aus dem kantigen Auto ist gut, die zwangsweise verdeckten Bereiche zeigen wie heute üblich Kameras. Im Gelände kann der Bronco insgesamt deutlich mehr als der Ranger, aufgrund der Ausstattung, vor allem aber aus einem banalen Grund: Er hat hinten nur einen kurzen Überhang, während beim Ranger dort der Pritschenhintern (vor allem mit Tow Bar) so weit heraushängt, dass er gern durch den Schlamm furcht.

Innere Werte

In der Kabine dominieren Gummi, Plastik und auf den Sitzen Leder. So weit, so amerikanisch. Nach einiger Benutzungszeit fand ich die Gummiknöpfe sehr praktisch, weil sich kein Schmutz in den Ritzen sammeln kann. Vor allem die Lenkradknöpfe sind komplett geschützt und so profiliert, dass du sie selbst mit dreckigen Handschuhen blind bedienen kannst und danach mit einem Wisch wieder sauber kriegst (Disclaimer: gilt nicht fürs restliche Lenkrad). Griffe vorne an der Konsole und hinten an der B-Säule helfen beim Einsteigen und wenn’s über Felsen schaukelt. Der Gummibezug ist schön griffig. Unter dem Kfz-Filz des Bodens gibt es eine Ablauföffnung, passend zum abnehmbaren Dach.

Ford Bronco innen (14 Bilder)

Auf der Mittelkonsole arbeitet Fords "Sync"-Infotainmentsystem, das mir prinzipiell sehr gut gefällt, auch wenn ich weiß, dass es in der Redaktion auch andere Ansichten gibt. Die große Schwäche ist die nutzlose Sprachsteuerung, die durch die Alexa-Integration ausgeglichen werden kann oder durch Verwendung von Android Auto/Apple CarPlay. Syncs Stärke ist aus meiner Sicht die durchdachte Touch-Bedienung mit der übersichtlichen Anzeige ohne Schnörkel. Die Verkehrsführung nach Echtzeit-Verkehrsdaten war auf meinen Testrouten auf einem Niveau mit Googles Navigation (die der Ford-Konzern ja für die Zukunft andenkt, siehe Lincoln Nautilus).

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König der Nischen

Für die Fans amerikanischer Offroader hat Ford das meiste richtig gemacht. Der Bronco macht es einem einfach, ihn zu lieben und er bietet so viel Offroad-Potenzial, dass dem Nutzfahrzeug Ranger bleibt, sich über den halben Preis zu empfehlen. Ein niedriger Preis ist immerhin in der Praxis das nützlichste Offroad-Feature. Darin liegt schon ein bisschen Tragik: Warum kosten Offroader heute über 70.000Euro? Zu diesen Tarifen ist schon klar, dass kaum einer sich den Lack an Felsen ruinieren will. Die großen Offroader sind Stadtkinder geworden, die Hosen immer sauber, die Knie immer unzerkratzt. In der Großstadt fing sich der Bronco die meisten verliebten Blicke ein, und bei Stadt-Distanzen fällt der Verbrauch viel weniger auf. Insofern haben Ford, Jeep und Mercedes alles richtig gemacht.

Der Ford Bronco Badlands kostet ab 78.500 Euro.

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Author: Horacio Brakus JD

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