Mercedes E 220 d Limousine (2023) im Test: Was ist Luxus? (2024)

Das ist also die sechste Generation des Autos, das wie kein anderes für die Kernkompetenzen von Mercedes-Benz steht. Abgesehen von der S-Klasse natürlich. Inzwischen sind wir beim W214 angekommen und für den mussten sich die Macher beim Daimler gefühlt ein bisschen mehr winden als gewohnt.

Was ist das?

Früher war es ja sowas wie ein epochales Ereignis, wenn eine neue E-Klasse das Licht der Welt erblickte, dieses Mal ging der neue E vor lauter elektrischer EQ-Modell-Sintflut fast ein wenig unter.

Dabei dürften es die hohen Mercedes-Herrschaften inzwischen notgedrungen besser wissen. Die fahrenden Computermäuse EQE und EQS stehen bei den Händlern wie Blei. Da scheint das Verhältnis zwischen Design, Anmutung und Preisschild wohl nicht ganz so sehr zu stimmen, wie großspurig ersonnen. Und vielleicht schmeckt dem Großteil der Kundschaft in der Vielfahrer-Business-Klasse ein Vierzylinder-Diesel eben doch noch besser als ein reiner E-Antrieb.

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Das ist das Stichwort für unseren Testwagen mit dem Kennzeichen S-EK 3371. Selbstzünder-Einsatz-Kommando, quasi. Bei aller Progressivität und Wokeness, die sich der Stern seit einiger Zeit auferlegt hat, wundert es fast ein wenig, dass es die Spalte "E 220 d" in der Preisliste überhaupt noch gibt. Wie wohltuend, oder? Wir kennen und schätzen den Zweiliter-Diesel aus diversen anderen Modellreihen. Im neuen E bringt er es dank Mildhybridisierung auf 197 PS (plus 23 Boost-PS) und 440 Nm. 0-100 km/h in 7,6 Sekunden, 238 km/h Höchstgeschwindigkeit, WLTP-Verbrauch: gute 5 Liter. Wenn das nicht passt, dann weiß ich auch nicht!

Optisch darf der E-Benz zum Glück noch klassisch. Keine Spur vom Windkanal-Erosionsdesign des EQE. Der cW-Wert von 0,23 ist trotzdem überragend. Und sogar den Stern auf der Haube können Sie wieder haben, wenn Sie wollen. Erster Live-Eindruck: Ein eleganter Bursche, den man gerne ansehen mag. Da stimmen die Proportionen. Und auch die Details - wie die Sterne in der Rückleuchten-Grafik oder die extrem hochwertigen Ausfahr-Türgriffe. Sauber.

An den Ausmaßen hat sich gegenüber dem Vorgänger kaum etwas geändert. Den neuen Riesenwuchs des Hauptkonkurrenten BMW 5er (5,04 Meter) macht der E nicht mit. Länge: 4,95 Meter. Breite: Noch halbwegs Parkhaus-erträgliche 1,88 Meter. Der Radstand wächst auf 2,96 Meter.

Wie es sich für einen waschechten Edel-Mercedes gehört, strotzt die neue E-Klasse vor Technik. Vor allem, wenn Sie fleißig Kreuzchen in der Aufpreisliste machen, mutiert der E zu Raumschiff/Spielekonsole/digitalem Abenteuerspielplatz. Die Frage ist: Wann ist das alles zu viel?

Sie machen sich keine Begriffe, wie viel Geld Sie in der Benzschen Multimedia-Abteilung versenken können. Dafür kriegen Sie mehr Bildschirme als in einem Media Markt, eine Selfie-Kamera auf dem Armaturenbrett (klingt nach dem ultimativ narzistischen Schnickschnack, aber im Auto gehen jetzt auch Zoom-Meetings, also alles gut) und Sie können Angry Birds spielen oder Tik Tok nutzen.

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Die Augmented-Reality-Funktion des Navis ist da ja fast schon ein alter Hut. Ebenso die unzähligen Wohlfühl-Funktionen mit "Mood"-abhängiger Ambientebeleuchtung/Klimatisierung/Beduftung etc. Außerdem vollführt der E selbst multiple Spurwechsel inzwischen eigenständig. Sie müssen nur noch den Blinker antippen (und das teuerste Assistenzsysteme-Paket buchen).

Braucht es das? Vermutlich nicht. Aber wenn sie es in Stuttgart nicht machen, heißt es wieder: Die Deutschen verschlafen die Zukunft.

Neben all dem Tech-Overkill hat es bei unserem Testwagen auch die Abteilung Fahrwerk ganz schön in sich. Die Optionen Luftfederung und Hinterradlenkung hat man uns gegönnt. Dazu ein extrem umfangreiches AMG-Paket, ein Burmester-4D-Surround-Soudsystem und Leder an allen Ecken und Enden. Testwagenpreis: 91.517 Euro. Bereits der Grundpreis für den 220er beträgt 64.320 Euro. Das waren beim Vorgänger gut und gerne 10.000 Euro weniger. Doppel-Autsch.

Wie fährt er?

Na Gott sei Dank sind wir noch in der Lage, das zu erörtern. Selbst eine gestandene Limousine der oberen Mittelklasse ist ja nicht mehr nur dazu da, um auf ihre ausladend geformten Bildschirme zu glotzen. Ein bisschen Fahrkultur wäre dann doch schon auch noch ganz nett. Die E-Klasse als Monument der souveränen Gelassenheit war dahingehend schon immer eine sichere Bank. Und jetzt? Der Stern ist schließlich jünger und schnelllebiger geworden. Hat sich gefühlt endgültig von den alten Tugenden verabschiedet. Nicht nur bei A, CLA oder GLB.

Und ganz ehrlich: Das schwingt auch bei dieser E-Klasse mit. Deutlich wendiger, leichtfüßiger ist er, der 220 d. Das liegt sicher auch an den mitlenkenden Hinterrädern, aber den Eifer und die Präzision mit der Lenkbefehle umgesetzt werden, den gab es so bisher nicht. Die Metamorphose zum schwäbischen 5er-BMW wurde fahrdynamisch natürlich noch nicht vollzogen, das würde auch wirklich niemand wollen. Aber der W214 fährt lockerer. Und er ist in der Lage in schnellen, langgezogenen Kurven - etwa auf Autobahnauffahrten - Unmengen an Traktion aufzubauen. Da schlägt er sich wirklich toll.

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Die Kehrseite der Medaille ist halt, dass das Satte, das Unerschütterliche so ein bisschen verloren gegangen ist. Die Luftfederung ist sehr angenehm, keine Frage. Natürlich eher auf der gemütlichen Seite, auch gerne mal mit ein bisschen Nachwippen. Aber das Fels-in-der-Brandung-Feeling, das fehlt etwas. Woran es liegt, ist gar nicht so leicht zu erklären. Vielleicht daran, dass eine Federung im 5er besser anspricht, weniger Terz macht, auch akustisch.

Und der Diesel?

Der OM654 gehört für mich seit seiner Einführung 2016 zu den besten Mercedes-Motoren. Auch hier macht er wieder sehr viel richtig. Ein bisschen knurrig ist er schon, das könnte man gerade in einer E-Klasse sicher ein bisschen besser kapseln. Aber er spricht sehr gut an, spart sich die oft Diesel-typische Anfahrschwäche und macht auch bei "gehetzter Chef"-Tempo auf der Autobahn eine sehr solide Figur.

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Das ist ja eh reinstes E-Klasse-Selbstzünder-Metier: Relativ schwereloses Gleiten auf der Bahn, gerne auch mal etwas flotter, denn der Verbrauch bleibt auch hier im überschaubaren Rahmen. Wer ein bisschen drauf achtet, schafft definitiv eine Fünf vor dem Komma. Nach einer eher zügig gefahrenen Autobahn-Etappe waren es in unserem Fall 6,6 Liter.

Wie ist er innen?

Tja, hier liegt sicher das größte Konflikt-Potenzial bei diesem Auto begraben. Natürlich zeigt Mercedes auf seinen perfekt inszenierten Bildern ein vor Zukunft strotzendes Interieur irgendwo zwischen Szene-Club, Design-Hotel und Tech-Labor. Und natürlich machen die Kinoleinwand aka der MBUX Superscreen (1.773 Euro), die ganze Lichtinszenierung und der Materialmix auf den ersten Blick mächtig Eindruck.

Jahaaa, aaaber Freunde! Dann schaut man ja doch irgendwann zwangsweise ein bisschen genauer hin. Und dann denkt man sich beim ein oder anderen Teil: Herrschaftszeiten, das können die doch so eigentlich gar nicht machen. Also überhaupt nicht. Kleiner Tipp: Fassen Sie ruhig mal hin an die Plastik-Rückseite der Kopfstütze. Oder gerne auch mal an die Hebelchen der Lüftungsdüsen. Da ist es mir ehrlich gesagt auch völlig latte, ob die Ausströmer sich intelligent selber anpassen oder nicht. Das ist gar nicht mal so gut. Freundlich ausgedrückt. Gleiches gilt für die Hebelchen am Lenkrad, aber das kennt man ja seit Jahren.

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Generell muss die Frage erlaubt sein: Wie verspielt und modisch darf/soll ein E-Klasse-co*ckpit aussehen? Die "schwebenden" silbernen Flächen an den Türinnenseiten, das billig wirkende Holzfurnier der Mittelkonsole, das kaum gepolsterte Lenkrad - dieser Innenraum vermittelt nur wenig Geborgenheit und Trutzburg-Gefühl. Besonders gediegen sieht er auch nicht aus. Für mich ein falscher Weg (ein Blick rüber zu Genesis wäre vielleicht mal ganz lohnenswert), aber wahrscheinlich bin ich einfach ewig gestrig und zu traditionell.

Und damit genug der Wut. Denn Lichtblicke gibt es hier ebenfalls. Viele sogar. Irgendwann gewöhnt man sich sogar ein wenig an die Bedienung mit den kleinen Touchpads und all den kapazitiven Flächen am Lenkrad. Ansonsten wird man sich relativ zügig mit der Sprachbedienung angefreundet haben. Einfach, weil sie so phänomenal gut funktioniert. Natürlich finde ich es weiterhin schade, dass es keinen klassischen Dreh-Drück-Steller mehr zwischen Fahrer- und Beifahrersitz gibt, aber wenn man so wunderbar mit dem Auto sprechen kann, ist das eigentlich gar nicht mehr so wild.

Ansonsten sind die Tasten auf dem Zentraldisplay so riesig, dass auch hier wenig anbrennen kann. Gut zudem: Die Shortcut-Taste darunter, mit der man sehr direkt all die nervigen (inzwischen verpflichtenden) Helferlein abschaltet.

Die Grafiken auf allen Screens sind Weltklasse und das System ist wenig überraschend pfeilschnell. Selfie-Cam, Angry Birds - alles ausprobiert, die Kids werden es lieben. Was wir leider nicht checken konnten, war der automatische Spurwechsel. Den hatte unser Testwagen nicht mit im Paket.

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Was die E-Klasse innen an optischer Klasse vermissen lässt, macht sie an Komfort wieder wett. Das Gestühl ist absolut hervorragend, die Sitzposition passt auf den Punkt. In Reihe Zwei lässt es sich ebenfalls formidabel reisen. Die Beinfreiheit ist gewaltig wie eh und je. Zudem lockt ein sehr großer, tiefer Kofferraum mit sehr ordentlicher Höhe und durchdachten Lösungen, wie etwa dem oben einhakbaren Kofferraumboden.

Fazit: 7,5/10

Ist die neue E-Klasse so großes Kino wie uns der Screen-Exzess im Armaturenbrett glauben machen könnte? Ja und nein. Der Tech-Overkill ist überwältigend und funktioniert dank übersichtlicher Menüführung sogar so gut, dass er wirklich nutzt und nicht verwirrt. Außerdem haben wir es hier sicher mit der agilsten aller bisherigen E-Klassen zu tun und der kleine Diesel macht ebenfalls einen guten Job.

Es sind eher die klassischen Benz-Tugenden, die das Gesamterlebnis trüben. Oder eher die Absenz selbiger. Es fehlt ein wenig an Gediegenheit, Sattheit und Eleganz. Beim Fahrgefühl und im Innenraum. Was ist für Mercedes heute Luxus? Vielleicht sollte man darüber in Stuttgart nochmal nachdenken.

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